Über „Hollywood Justice“ von Peter Vogl

In einem meiner früheren Leben, fast zehn Jahre ist das jetzt her, da habe ich mich mit dem Kollegen S. nach der Pressevorführung von Neil Jordans „Die Fremde in dir“ / „The Brave One“ über Selbstjustiz im Film unterhalten. S. hatte vor, über dieses Thema seine Magisterarbeit zu schreiben; ich konnte immerhin damit punkten, den Namen des Komponisten der Filmmusik von „Death Wish II“ zu kennen: niemand anderes als Jimmy Page. Sehr viel mehr konnte ich nicht beitragen. Kollege S. hat dann einen lukrativen Job ergattert und verdient sich jetzt ohne Studienabschluss eine goldene Nase – Glück für ihn, und Glück für uns alle. Denn so konnte Peter Vogl in die Bresche springen. Und das weltweit erste Buch zum Thema Selbstjustiz und Vigilantismus schreiben. Wodurch nun ich und Sie und wir alle uns bestens informieren und künftig auch in Gesprächen mit den vielen Kollegen S. dieser Welt mitreden können.

„Hollywood Justice“ ist angelegt als Spaziergang durch die Filmgeschichte: Von 1915 bis 2015 stellt das Buch die wichtigen und auch die unwichtigeren Filme vor, in denen Vigilanten das Recht in ihre eigene Faust nehmen. Wichtig: Nicht aus persönlichen Gründen, zum Beispiel Rache, sondern als Dienst an der Gesellschaft werden am Rechtsstaat vorbei die Bösewichter verfolgt und zur Strecke gebracht. Zielpersonen des Vigilanten können wildgewordene Neger kurz nach der Sklavenbefreiung sein – in David Wark Griffiths „The Birth of a Nation“, 1915 – oder auch die Bohnenfresser mit ihren Drogenkartellen – in „Cartel Land“, 2015. Irgendwo dazwischen schert sich Harry Callahan wenig um polizeiliche Vorschriften und gesetzliche Regelungen; sieht Paul Kersey rot angesichts all des Verbrechens, das der Gesellschaft und ihm selbst das Leben zu Hölle macht; tickt Travis Bickle aus, wäscht bei der Befreiung einer jungen Hure eine Menge Dreck aus New York. Und ja, Jodie Foster hat auch ihre Ideen, die Gesellschaft zu reinigen (womit wir wieder bei Neil Jordan wären).

 

Über 200 Filme hat Peter Vogl zu Rate gezogen für dieses Projekt, ein Gutteil davon findet sich im Buch: FBI-Filme der 1930er ebenso wie die eher auf Drama setzenden Werke der 2000er Jahre, nicht nur von Jordan, auch beispielsweise "In the Bedroom" – aber natürlich vor allem die wilden Jahrzehnte der 1970er und 1980er werden beleuchtet, mit "Billy Jack" und "Walking Tall" und Steven Seagal und mit einer eigenen Sektion zu Klassenzimmervigilanten, die ungehörigen Schulrowdies das Handwerk legen. Das Gute daran: Diese Hoch-Zeit der Selbstjustiz ist eingebettet in das weitgehend unbekannte Davor und Danach; wobei auch reale historische Vorbilder ebenso wenig fehlen wie frühe literarische Beispiele, noch aus der Zeit des Wilden Westens. Videospiele übrigens, seit den 1980ern gerne mit Selbstjustiz-Thematik, weil man da so schön draufhauen kann, bekommen ebenfalls ein eigenes Kapitel.

Als eines der maßgeblichen Motive filmischer Dramaturgie werden Vigilantismus, Selbstjustiz und Rache gerne als dramaturgische Handlungsimpulse im Action- und Kriminalgenre genommen; und das Publikum goutiert das, es ist Teil der Genre-Vereinbarung, dass es in solcherartigen Filmen hart zur Sache geht. Vogl bleibt aber nicht beim Film stehen: Vigilantismus ist ein uramerikanischer Mythos, zusammenhängend mit der rechtskonservativen Überzeugung, möglichst wenig Staat zulassen zu können und das Recht, eine Waffe zu tragen, nicht abgeben zu wollen. Immer wieder führt Vogl seine Filmbeispiele auf solche kulturhistorische Einflüsse zurück. Vigilantismus im Film im Wandel der Zeiten – prägnant analysiert, kritisch beleuchtet, und für den Fan auch eine schöne Sammlung und Einschätzung von Filmen zum Thema.

Harald Mühlbeyer

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