Über Franz Stadler, Manfred Hobsch: 1.000 Filmkomödien
376 – die Zahl verfolgt mich in meinen schlaflosen Nächten. 376: Soviele – bzw.: sowenige – der 1.000 Filmkomödien, die Franz Stadler und Manfred Hobsch für den zweiten Teil ihres Handbuchs „Die Kunst der Filmkomödie“ zusammengetragen haben, kannte ich. Muss ich zu meiner Schande gestehen: 376 von 1.000. Eigentlich beschämend.
Gut: Diese Zählung beruht auf einer frühen Auflistung, die sich im Laufe der Arbeit an dem Manuskript noch änderte; zudem waren mir einige der aufgeführten deutschen Verleihtitel nicht direkt geläufig, und bei einigen Filmen hatte ich schlicht vergessen, dass ich sie gesehen habe … Dennoch: Ein Glück, dass nun eine Gesamtschau über die 1.000 besten Filmkomödien vorliegt, da kann man nachlesen, was man noch alles nachholen muss. Zwar ist die Filmauswahl subjektiv, aber vollkommen nachvollziehbar: Ein Buch, an dem man sich orientieren kann für alle weiteren Forschungsreisen in das unermessliche Gebiet der Filmkomödie.
„Algebra der Liebe“ – wer hätte gedacht, dass sich hinter diesem deutschen Titel der famos-durchgeknallte College-Nonsens „Damsels in Distress“ von Whit Stillman verbirgt, eine meiner witzigsten Erfahrungen, gesehen auf dem Münchner Filmfest 2012... Oder "Wasser" von Dick Clement, 1985 von George Harrison produziert; oder Wolfgang Liebeneiners „Der Florentiner Hut“ von 1937, ein Boulevard-Stück mit Passagen versierter subjektiver Kameraarbeit – mich daran wieder zu erinnern … Eine sehr schöne Filmauswahl, die Stadler und Hobsch da getroffen haben: Eigentlich wollten sie nur einen kleinen Anhang mit den 100 besten Filmkomödien verfassen, der sich dann aber zum eigenständigen Groß-Werk mauserte.
Kann man über die Filmauswahl streiten? Natürlich. Man sollte sogar, ja: man muss. Fehlt nicht Schlingensief? Wurde Apatow genug gewürdigt? Was ist mit den tollkühnen Will Ferrell / Adam McKay-Kooperationen? Aber andererseits: Man will ja nicht nur das ohnehin Bekannte wieder aufgezählt bekommen. Die italienische Komödie der 1950er, die tschechische der 1960er, die französische der 1970er: Das sind Bereiche, die mir - Ungnade zu später Geburt - bisher viel zu wenig unter die Augen gekommen sind. Auch Hollywood-Classics von Mae West, W. C. Fields oder gar Preston Sturges … ja selbst Dick und Doof, Verzeihung: Laurel und Hardy – was sollte man aus deren Gesamtwerk denn nun eigentlich sehen müssen? Natürlich folgen Stadler und Hobsch auch bei diesen Fragen ihrem persönlichen Geschmack - aber es ist der wohltrainierte Geschmack von Experten, die sich seit langem mit der Komödie auseinandersetzen und auf deren Urteil man sich verlassen kann: Wenn man dann einen in „1.000 Filmkomödien“ empfohlenen Film guckt, hat man im Regelfall eine Menge Spaß gewonnen.
So habe auch ich selbst, als Erstleser des Manuskript, mich hinreißen lassen, mir die britische Farce „Whoops Apocalypse“ (a.k.a. „Die Bombe fliegt“) von 1988 zuzulegen, inkl. zugrundeliegender TV-Serie von ’82. Reue? Nein, keinesfalls! Lachen? Aber ja, aber ja …
Harald Mühlbeyer