Über Franz Stadler, Manfred Hobsch: Die Kunst der Filmkomödie, Band 1
Seit langem schon beschäftige ich mich gedanklich mit der Filmkomödie. Was ist eigentlich das Komische am und im Film? Worüber lacht der normale Zuschauer, und worüber lache ich? Welche Formen des Komischen gibt es denn überhaupt, von affirmativ bis suberversiv? Und welche Mittel wendet dieses Komische jeweils an?
Seit meiner Kindheit lese ich die Witze im „Tip der Woche“ und im „Lukullus“-Metzgerheftchen; „Gaudimax“ mit Gerd Rubenbauer hatte mich als treuen Zuschauer gewonnen. Lachte ich über diese Witzchen? Nein – aber ich konsumierte sie. Aus anthropologischem Interesse? Lachen – also: so richtig lachen, dass ich keine Luft mehr bekam, so dass sich die Leute um mich herum schon nach dem nächsten Notruftelefon umschauten: einen richtigen Anfall dieser Art hatte ich erstmals am Abend des 30. Juni bei einer unglaublich witzigen Aufführung des „Sommernachtstraums“ in Schwäbisch Hall. Spätere ähnliche richtiggehend schmerzhafte Lachanfälle ereilten mich im dritten „Nackte Kanone“-Teil, bei Helge Schneider und Monty Python, bei „Borat“ und „Ricky Bobby“ – und auch sonst immer wieder. Ganz schlimm war ein Lubitsch-Nachmittag mit der „Puppe“, der „Austernprinzessin“ und der „Bergkatze“.
Selbstanalyse ergibt: Immer dann, wenn das Doppelbödige sich ins Absurde ergießt, wenn verschiedene Ebenen von Ironie und Witz ineinanderfließen, wenn das Alberne auf überraschende Weise hinterrücks intelligent wird, dann wird es gefährlich für mein Zwerchfell und für die Trommelfelle der Mitmenschen.
Jeder hat seine eigene Nerven, die zu diesem konvulsivischen Ausstoßen von Luft führen, seinen eigenen Humor, durch den er auf ganz eigene komische Reize anspringt. Das ist ein hochinteressantes Forschungsfeld, das wohl niemals in seiner ganzen Tiefe und Breite durchmessen werden kann, wegen all der hochkomplexen individuellen und höchst spezifischen Faktoren. Eine Menge Theorien gibt es, die mich alle nicht richtig befriedigen – irgendwann werde ich vielleicht meine eigene aufstellen, die dann mir, wenn auch wahrscheinlich keinem anderen, genügt.
Im Dezember 2013 gab es einen Glückstag für mich: In meinem Postfach das Manuskript zu Die Kunst der Filmkomödie von Franz Stadler und Manfred Hobsch. Ein Buch, das die diversen Theorien, wer wann warum wodurch und wozu vielleicht über was lachen könnte, beiseite lässt, und das einfach schildert. Das schildert, welche Formen der Filmkomödie es gibt, wie sie sich ausdrücken, in welchem Umfeld sie entstanden. Das beobachtet, welche grundsätzlichen Möglichkeiten für Gags es im Film überhaupt gibt, die dann in unterschiedlichen Kombinationen immer wieder neu und immer wieder originell angewandt werden. Das porträtiert, welche komischen Personen es eigentlich sind, die da auf der Leinwand oder hinter der Kamera diese lustigen und lustvollen Filme kreieren.
Ein Buch, das aus dem Geist der klassischen Komödie heraus geschrieben wurde: Man merkt den Autoren an, wenn sie eine bestimmte Richtung der Komödie – etwa die neuere amerikanische Variante, die unter dem Protektorat von Judd Apatow entsteht – nicht wirklich witzig finden. Und sie benennen auch direkt, welche Filme von welchen Komikern nicht wirklich gelungen sind. Ein Grund mehr, dieses Buch zu lesen: Denn Datensammlungen und biographische Beschreibungen kann man auch auf Wikipedia nachgucken. Der individuelle Blick, der persönliche Aspekt: Der ist bei einem Buch dieser Art richtig wichtig.
Und dann nehmen sich die Autoren auch noch Komiker und Regisseure heraus, die nicht einmal ich auf dem Schirm habe! Danny Kaye oder Pierre Étaix, Nino Manfredi oder Raimu, das Regie-Duo Melvin Frank/Norman Panama oder Édouard Molinaro: Die sind mir schlicht noch nicht über den Weg gelaufen, weil ich als zu spät Geborener eine allzu große Menge an Filmgeschichte aufarbeiten muss – mein junges Leben war einfach bisher noch zu kurz …
Harald Mühlbeyer