Über „In einer Bar in Mexiko“ von Reiner Boller
Von Rex Gildos „Fiesta, Fiesta Mexicana“ bis zu Helge Schneiders „Trompeeeeeeeeeeeeeeeeeeeten von Mexiko“: Mexiko ist als Sehnsuchtsland irgendwo zwischen niederschwelligem Kitsch und schriller Ironie fest im deutschen Gemüt verankert. Aber natürlich nicht nur im deutschen: Hollywood hat sich selbstverständlich schon sehr früh dem südlichen Nachbarlande zugewandt. Und wenn es auch nur produktionstechnischen, sprich: -finanziellen Gründen geschuldet war. Das Bild, das sich im klassischen Hollywoodfilm manifestierte, war dabei durchaus komplex und schillernd: Mexiko, wo Männer noch Männer und Frauen noch Frauen sind, und Mexiko, wo Männer vielleicht durchaus Banditen und Schurken sind und Frauen vielleicht durchaus gefährlich und tödlich. Mexiko, wo so was wie ein Paradies lockt und so was wie eine Hölle locken kann.
In der Bar kulminiert dieses Mexikobild. Hier begegnet man(n) der fatalen Frau und der feurigen Schönheit. Hier ist der Schnaps billig und das Geld schnell verdient. Hier kann man große Pläne schmieden und korrupte Machenschaften ausbaldowern. Hier herrscht Freiheit, und hier gilt kein Gesetz. Film noir („Goldenes Gift“, „Im Zeichen des Bösen“) und Abenteuerfilm („Der Schatz der Sierra Madre“), Krimi, Drama, Liebesfilm: Reiner Boller blickt in „In einer Bar in Mexiko“ auf all die Filme des Goldenen Hollywood-Zeitalters. Und darüber hinaus: Von B. Traven-Verfilmungen über obskure deutsche Serien bis zu mexikanischen Noirs und, in der Postmoderne angekommen, mehrere James-Bond-Produktionen und Roberto Rodriguez' „Mariachi“-Trilogie bilden den Stoff seines neuen Buches.
Mit „Wilder Westen made in Germany“ hat Boller in diesem feinen, kleinen Verlag ein hochgelobtes Buch veröffentlicht; etwas spezieller sicherlich das Thema der mexikanischen cantina im Film, aber nicht weniger lohnend. Weil Boller natürlich nicht nur Filme, Szenen und Stars aufzählt: Er hat wieder tief in den Archiven Kaliforniens gegraben und erhellende Dokumente zutage gefördert, etwa, wie die US-Zensur des Hays Office auf Dreharbeiten in Mexiko eingewirkt hat, oder wie andererseits das mexikanische Tourismus-Ministerium wiederum auf das Hays Office eingewirkt hat. Oder Briefe der Stars ans Hollywoodstudio, bzw. Memos vom Studio ans Set. Boller hat mit einigen der Beteiligten gesprochen und kann so direkt von den Filmproduktionen berichten
Zudem kann Boller seine vielfältigen Reisen nach Mexiko zu Rate ziehen: Viele der damaligen Drehorte hat er besichtigt, und natürlich kann er qualifizierte Bar-Tipps abgeben. So weitet sich „In einer Bar in Mexiko“ von der Schilderung eines filmischen Motivs über Making of-Notizen zum gelegentlichen Reisebericht; für den Fan des klassischen Films wie für den Freund des mexikanischen Flairs gleichermaßen geeignet.
Harald Mühlbeyer